Es ist nicht nachzuvollziehen: Ein wirklich spannendes Lineup, aber fast kein Publikum. Bonga, Da Cruz, La Cherga, Justin Adams & Juldeh Camara, Ba Cissoko auf der Bühne des Worldmusic Festivals Yverdon – und pro Konzert-Abend rund hundert Nasen im Publikum. Es kann nicht daran liegen, dass in der Romandie Worldmusic keine Freunde mehr hat. Die Kommunikation für das Festival scheint auf einem anderen Planeten gelaufen zu sein, nur nicht in Yverdon, der Romandie, der Schweiz.
Am Freitag war ich noch nicht vor Ort, aber das Bild sei dasselbe gewesen, wie ich es dann am Samstag antraf: Professionelle und engagierte Bands auf der Bühne: La Cherga, Besh-o-Drom, und Vagalatschk boten Gypsy-Sounds mit Drive, Elektronik und vollem Einsatz. Das enthusiastischste Publikum soll aus jenen Musikern bestanden haben, die gerade nicht auf der Bühne standen….
Mehr Leute am Samstag? Leider nein. Lucy Acevedo führte mit viel Elan durch ein peruanisches Programm. Die vertrackten Rhythmen aus dem Nordwesten Südamerikas scheinen in diesem Jahr wirklich das Anden-Panflöten-El-Condor-Pasa-Klischee aus der Vorurteil-Schublade räumen zu können. Zwei Gitarren, ein Bass, zwei Perkussionisten und eine engagierte Stimme – fertig ist die Party.
Mit 30 Jahren Bühnenerfahrung in der Tasche zeigte Bonga, dass sich auch mit einem kleinen Publikum ein grosses Fest feiern lässt. Er bot den Anwesenden ein herzliches Clubkonzert voller Charme und Schalk. Seine Moderation zwischen den Stücken hätte auch an der Bar stattfinden können, so direkt und persönlich unterhielt sich der Altmeister mit dem Publikum. Nur um dann gleich wieder seinen zur Dizanka zu greifen – der angolanischen Version eines Guiro – und das nächste Feuerwerk anzuzünden.
Jetzt, wo die Beine schon warm getanzt waren, setzten Da Cruz aus Bern noch einen drauf. Die auf mittlerweile fünf Bühnen-Musiker gewachsene Live-Band bot elektronisch getriebene Barzil-Grooves vom feinsten. Punktgenaues Schlagzeug, Gitarre und Trompete lieferten das analoge Gegengewicht zu den Beats und Loops von Ane Hebeisen. Auf diesem Soundteppich könnte Mariana Da Cruz – und das standfeste Zuschauer-Häufchen – abtanzen.
Mehr Leute am Sonntag? Schon wieder nichts. Es ist zum heulen. Aber die Musik durchs Band weg oberste Spielklasse! Eröffnet wurde der Abend durch ein schlagfreudiges Duo: Auf der einen Seite einer der angesehensten Balafonspieler Westafrikas, Lansiné Kouyaté, auf der andern Seite einer der experimentierfreudigsten Vibraphonisten Frankreichs, David Neerman. Die beiden klopften Rhythmen und Melodien aus der Tradition beider Kontinente bis in den Jazz hinein.
Aus Guinea dann der Kora-Virtuose Ba Cissoko. Er führt eine kompakte Band an, die von den Mandingo-Grooves über Highlife-Geflitter bis in den knallharten Rock hinein alles drauf hat. Dass sein Solist Sékou Kouyaté seine Kora elektrifizierte, und die direkt abgenommenen Töne bei Bedarf auch durch Wah-Wah oder Verzerrer jagt, dürfte den Vätern zuhause die Haare zu Berge stehen lassen. Aber für junge Ohren ist das nicht anderes als eine logische musikalische Entwicklung. Was die Jungs auf ihrer letzten CD an Dynamik vermissen liessen, machten sie auf der Bühne mehr als wett.
Für Justin Adams und Juldeh Camara muss der Auftritt ein seltsamer Traum gewesen sein – in zwei Tagen werden sie zusammen mit Robert Plant vor 100’000 in der O2-Arena in London auftreten, sie wurden in den letzten zwei Jahren mit Auszeichnungen und Preisen nur so überhäuft – und in Yverdon spielen sie mit absoluter Professionalität und hohem Engagement für ein Publikum von 40 Leuten.
Um es kurz zu machen: Für mich war es das Konzert des Jahres! Das Zusammenspiel von Juldeh Camaras Wüstengeige Riti mit Justin Adams Rockgitarre ist sowas von verblüffend, logisch und spannend, dass einem wirklich nur noch die Ohren schlackern und das Herz lacht. Das ist Rock-Musik für eine globalisierte Welt.
heike meint
ba cissoko, justin adams & juldeh camara: die grandiosen konzerte dieser musiker in yverdon sind übrigens – obwohl die medienvertreter sich seltsamerweise nicht getraut haben, das zu publizieren – von qualifizierten stimmen aus dem publikum zum 8.weltwunder ernannt worden.
und das war nicht mehr als eine objektive kritik.