Weniger eine gewollte Richtungsänderung sondern eine Reaktion auf die Corona-Isolation: Altin Gün sind neuerdings auch auf Disco-Kurs.
Die Spiegelkugel dreht, die Beats locken auf die Tanzfläche. Nicht dass man nicht schon vorher zu den psychedelischen Folkrock-Klängen der anatolischen Melodien hätte tanzen können. Aber jetzt wird’s heftig. Die Songs stammen nach wie vor aus dem grossen türkischen Liederbuch jenseits des Bosporus. Die Maschinerie klingt nach 80er Jahre, das Clavinet wawaut, es wabern die Sounds.
Diese Trendwende hat nichts mit einem bewussten Richtungswechsel der Band zu tun, sondern mit dem Entstehungsprozess. Die ganze Band sass Corona-bedingt in ihren persönlichen Musikzimmern fest. Statt im Probelokal zusammen an den Songs zu feilen, schickte man sich Files und Ideen zu. Klar, dass da die digitale Technik plötzlich mehr Gewicht bekam. Doch sie hat die Saz nicht verdrängt, und den Rock nicht ganz zur Seite geschoben. Auch geblieben ist die Wehmut der Melodien, diese bittere Süsse.
Teetassen, Kassetten und Vinyl
Altin Gün haben es erneut geschafft, eine Zeit aufleben zu lassen, in die sie nicht geboren wurden, sondern die sie über die Vinyl-Sammlungen ihrer Eltern oder in den Sammelboxen in türkischen Lebensmittelgeschäften entdeckten. Wie Tee, Gemüse und türkischer Folk und Rock in Westeuropa zusammen kamen, darüber gibt es viele Geschichten. Die eine erzählt die ZEIT: «Die Musik von nebenan». Eine andere kennen wir im Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Saz.
Altin Gün hören ist ein bisschen wie Märchen aus 1001 Nacht lesen: Ich entdecke neue Klänge und vertonte Geschichten, zu denen ich bisher kaum einen Zugang hatte.
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