Das Eröffnungskonzert des 22. Festivals Petronio Alvarez in Cali zeigte bereits einige Facetten: das Publikum ist tanzbegeistert, für Nachwuchs ist gesorgt, und der Soundmischer hat noch viel zu tun.
Am 15. August wurde im Coliseo El Pueblo das 22. Festival Petronio Alvarez eröffnet. Zum Auftakt spielte eine 30köpfige Nachwuchstruppe, zusammengestellt aus Musikschülern aus verschiedenen Quartieren von Cali.
Was den Bürgermeister Maurice Armitage in seiner Rede zum einen hoffen liess, dass die Tradition der Musik aus dem pazifischen Raum hier in Cali seine Hauptstadt gefunden habe. Zum anderen freute er sich auch darauf, in den nächsten vier Tagen nicht nur gute Musik zu hören, sondern auch den einen oder anderen Schluck Vice oder Aguardiente trinken zu können – beides Schnäpse aus Zuckerrohr destilliert. Diese Bemerkung brachte ihm viel Applaus ein.
Nach einer bunten Showeinlage ging’s dann weiter mit einem Vierer-Konzert der Hauptstilrichtungen, die an diesem Festival vertreten sind.
Alle Bands haben an einem der frühere Alvarez-Festivals jeweils in ihrer Kategorie Preise geholt. Die Truppen unterscheiden sich vor allem in der Instrumentierung. Da geben die Geigen aus der Region Cauca mal den Ton an, dann gibt’s die Marimba- und Trommel-Formationen, die Chirima Bands mit Klarinetten, Baritonhorn oder Euphonium und Timbales, und als viertes Genre die »Agrupación Libre«, also Freistil, was dann gern in Richtung Salsa zeigt.
Bereits in den Auftaktkonzerten zeigte sich, dass diese Sporthalle aus Brutal-Beton ein denkbar schlechter Ort für Konzerte ist. Für meine (rock-gestählten) Trommelfelle ist alles viel, VIEL zu laut (Ja, da lob ich mir die CH-Pegelmessung!). Zum ersten Mal in meiner Konzertbesucher-Karriere muss ich mir die Ohren fest zustopfen. Einen Tinitus nach Hause zu bringen wäre ein schlechtes Andenken…
Zu den Truppen: Den Auftakt machten Son Balante, die Gewinner der Cauca-Kategorie aus dem Jahr 2014. Ansteckende Songs, Gassenhauer, mit einem Frontmann, der den Beweis erbringt, dass Alter nicht vor Groove schützt und tanzen jung hält. Die Geigen gehen leider im Soundbrei unter. Facebook
Tamafri gewannen ihren Preis in Cali im Jahr 2013. Marimba und Trommel liefern sowohl den Grundton wie den Groove für die Sängerinnen. Die Rhythmen sind vertrackt, die Call-Response-Gesänge dicht. Die Sängerinnen haben allerdings Schwierigkeiten mit dem Sound, und ich habe den Eindruck, dass sie das ganze Konzert über tapfer gegen das Echo der Halle ansingen mussten, was nicht unbedingt zu sicherer Melodieführung beitrug.
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Dann waren die Pop-Groover von Rancho Aparte angesagt. Sie kreieren ihren Sound aus traditioneller Instrumentierung (Chirima), Pathos (Heldentenor) und Hip Hop, und sind somit die Favoriten des jungen Publikums. Dieses tanzt nicht nur kräftig mit, sondern kennt die Songs auch in- und auswendig. Was dann zu einer dreifachen Soundquellen-Vermischung führt: Band, Echo, Publikum.
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Und zum Abschluss Aboreo mit ihren Salsa-Grooves. Die Band baut ihren Sound auf unterschiedliche Instrumente, das braucht dringedn Dynamik. Und einmal mehr geht ein flehender Blick zum Mischpult, leider vergeblich. Vielen Leuten im Publikum geht es wie mir, nach drei Songs werfen wir das nicht vorhandenen Handtuch (das Tüchlein, s.u. nehmen wir mit) und suchen draussen ein freies Taxi.
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Apropos Tanz: das Parkett ist zwar bestuhlt, und in den Umbaupausen sitzt man auch gerne mal etwas ab. Doch das Publikum ist während der Konzerte fast durchwegs auf den Beinen. Rechts, links und vor allem hinten (bei den schwenkbaren Fernsehkameras) bilden sich schnell Tanzkrüngel, die jeweils ihre Vortänzer haben. Ich weiss nicht wie das passiert, aber die Gruppen haben zuweilen ganz unterschiedliche Choreografien. Und überall werden im Takt Tüchlein geschwenkt.
Und apropos Fernsehen: Alle Konzerte bis und mit Sonntag werden live von Telepacifico übertragen. Konzertbeginn Cali-Zeit 18:30h, in Europa wäre das dann 01.30h. Bis Mitternacht, resp. 7h morgens….
Mein persönliches Lehrstück an diesem Tag: Wer einmal das »Parkett« verlässt, kommt nicht mehr zurück, sondern muss auf die Ränge. Aus den Rängen wird dann in kleinen Portionen und über den gesamten Abend Publikum „nachdosiert“…
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