Juçara Marçal hat für ihr Album einen abenteuerlichen Weg gewählt: Bau einen Beat, leg eine Basslinie drauf, suche Dichter und Texterinnen – dann zusammenschweissen.
Die Sängerin Juçara Marçal hat mit ihrer Band Metá Metá schon ganz unterschiedliche Song-Entstehungsprozesse durchlebt. Ihr Mitstreiter für diese zweite Soloproduktion ist Band-Mitglied Kiko Dinucci, der in seiner Kompositionsarbeit ausgetretene Pfade meidet wie die Schildkröte die Autobahn. Das Album hat einen langen Entstehungsprozess hinter sich. Der begann 2017:
Dinucci und Marçal hatten am Album «Atrocity Exhibition» des Rappers Danny Brown mitgearbeitet, und dabei viel über die Kreation eines Hip Hop Tracks gelernt. Sie übertrugen die Herangehensweise auf dieses Album von Juçara: Erst den Beat, darauf den Bass, darauf die Rhymes setzen. Zeitgleich zur Entstehung der ersten Song-Skizzen fand in der realen Welt die Wahl von Jair Bolsonaro statt. Seine desaströse Politik wurde sichtbar, und die weltweite Covid-Pandemie legte die Kulturszene lahm. Das verzögerte die Arbeit an diesem Album, und gab ihm eine zornige Grundnote.
Die Grundtracks wurden an befreundete Dichter und Texterinnen verschickt, die Themen drängten sich auf: Klimakrise, existentieller Überlebenskampf, zunehmende Aggression, Umweltverschmutzung. Dann begann die Arbeit an der Anpassung, der Aneignung von Beats und Gedichten. Ein mehrmonatige Baustelle. Was jetzt vorliegt klingt für Harmoniebedürftige verstörend, für Indie-Ohren mit Hang zum Abwegigen ist es eine Groove- und Sound-Fundgrube. Selbst für Klang-Abenteurer ist das Album eine Herausforderung, weil zuweilen sehr schrill, laut und schmerzhaft.
Delta Estácio Blues ist die Klang gewordene Suche nach Antworten auf die Ungereimtheiten der brasilianischen Gegenwart.
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