Les Suds à Arles – Tag 2

Les Suds à Arles luden am zweiten Konzerttag zu einem Rendez-vous von Ost und West inkl. Koto, Powerrock auf der Drehleier, einem kurdisches Liederbuch, und einen Reggae-Prediger von der Elfenbeinküste, inkl. einem mächtigen Chor.

Mein Tag begann mit Raskovnik in der Croisière. Ein Duo, das mit seinen beiden Stimmen, Piano, Stehbass, und Cello sich auf eine Reise durch dem Balkan aufmacht. Charlène Ploner und Nicolas Arnoult sind durch die Länder gereist, haben die Melodien gelernt, haben sie mit nach hause genommen und mit einer Prise Pianojazz und Theatralik garniert. Was sie auf ihrer Reise leider nicht mitgenommen haben ist das Herzblut, die Energie der Originale. So wird das Konzert zu einem etwas kraftlosen Rezital.

Zum Auftakt auf der Quartier-Bühne auf dem Platz Voltaire gibt’s Powerrock mit Drehleier: Ja, das geht bestens. Der Rock von Brama nutzt zwar gerne traditionelle Inspirationsquellen, vor allem im Textbereich, doch die Musik lehnt sich eher an englische Bands aus den 70ern an.

Wenn der Vergleich mit Led Zeppelin genannt wird, ist das nicht ganz falsch: Die Beats sind hart und kraftvoll, die Rhythmen ständig gebrochen, inkl. Tempiwechsel. Gerade diese Arrangements lassen den LedZep-Vergleich zu. Die Drehleiher übernimmt – mit Hilfe von vielen Klangveredlern – die Basisarbeit, während die Gitarre mit pfeilschnellen Soli oder scharfen Hooks vorwärts zieht. Ich weiss nicht, ob es im französischen Zentralmassiv geologische Vulkane gibt, einen musikalischen aber auf jeden Fall: Brama.

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Als ich Mieko Miyazaki im Interview vor dem Konzert fragte, warum sie denn Frankreich als ihren europäischen Wohnort ausgewählt habe, antwortete sie ganz erstaunt: Es ist doch Frankreich, welches die beste World Music hervorbringt. Die resolute Frau aus Japan macht seit Jahren die Koto im europäischen Klangumfeld bekannt. Sie hatte Projekte mit korsischen, vietnamesischen oder chinesischen Musikerinnen und Musikern, ist als Studio Musikerin von Jazz bis Filmsoundtrack gefragt.

Jetzt ist sie mit einem Quartett, dem Quatuor Yako, aus Lyon unterwegs. Alles Musiker, die ihre Diplome noch nicht lange in der Tasche haben. Ein Auftragswerk brachte die fünf zusammen – und es musste sowas wie Resonanz auf den ersten Ton gewesen sein. Auf jeden Fall wuchs das Repertoire und das Vertrauen. Jetzt ist das Quatuor mit Solistin gemeinsam auf Tour.

Die Musik ist schwierig zu beschreiben: es ist neue Klassik, ohne zu viele harmonischen Windungen oder Brüche. Es ist Wohlklang mit exotischen Klangkomponenten, ohne in Süsse zu fallen, es ist Klangmalerei mit weichen Farben. Und wenns dann mal etwas lauter wird, und die Komposition auf Touren kommen sollte, dann greift Mieko mit ihrer Stimme antreibend ein. Insgesamt gefällt die Musik, ist manchmal fast ein bisschen zu nett.

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Der Abend im alten Theater beginnt mit einer, geografisch gesehen, bunten Truppe: ein Flötist aus der Bretagne, ein Gitarrist und Oud-Spieler aus Barcelona, ein Perkussionist aus Mazedonien, ein Bassist aus Griechenland und eine Sängerin, deren Lieblingsinstrument eine Drehleier ist – nicht gerade ein typisch kurdisches Instrument. Denn die Band spielt sich durch das kurdische Liederbuch – und es geht auf. Es ist mehr als Solidarität. Es ist eine Liebesbeziehung.

Die Sängerin Eléonore Fourniau ist jahrelang mit ihrer Drehleiher durch die Türkei und Kurdistan gereist, hat sich das Liederbuch unterwegs angeeignet, hat vor Ort die Baglama von den Kennern gelernt. Ihre Mitstreiter sind mit Herzblut bei der Sache und unterstützen ihre strahlende Sängerin mit viel Enthusiasmus und Feinfühligkeit.

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Zum Abschluss des Tages kommt der Reggae-Grossmeister und das wandelnde und singende Gewissen aus Westafrika auf die Bühne des alten Theaters von Arles: Tiken Jah Fakoly. Er beginnt sein Konzert mit seinem Überhit «Africain à Paris». Damit hat er sein Publikum im Sack, und in der ersten Konzerthälfte mindestens 1000 Besucherinnen und Besucher als zuverlässigen Chor. Denn es folgen «Plus rien ne m’étonne» oder «Ca va faire mal». Das Publikum ist ziemlich textsicher.

Dann gibts einen Block mit etwas unbekannteren Songs, solchen welche nur die eingefleischten Fans mitsingen können, z.B. «Tonton d’America». Tiken kennt die Situation und macht den Vorsänger. Er lässt keinen Song mehr ohne Publikumsbeteiligung zu, schaltet wieder einen bekannten Song dazwischen „Les Martyrs» oder «Ouvrez les frontieres», und hält sein Publikum in Mitsinglaune.

Und immer wieder der Prediger, der zwar die Schlechtigkeit in den Westen projiziert. Er spricht über Ausbeutung, Korruption und verlangt Gerechtigkeit. Und gleichzeitig mahnt er auch immer wieder: wenn jemand das ändern kann, dann wir, die Afrikaner.

Zusammen mit seiner 8-köpfigen Band – eine Truppe in der jeder eine Kapazität auf seinem Instrument ist – spielt sich Tiken Jah Fakoly durch das Repertoire seines aktuellen Albums: Acoustic. Und nach einem fulminanten Perkussions-Abschied sind wohl alle glücklich, etwas positiver gestimmt. Zumindest höre ich auf dem Heimweg noch manche Stimme den einen oder anderen Refrain summen.

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Gesamtüberblick Les Suds à Arles 2024

Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Wie alles begann

Epilog

 

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