Das Liederbuch der Karpaten, Protestsongs aus Kolumbien und Flamenco-Gesang aus blutendem Herzen. Das Programm des letzten Konzerttages bei Les Suds à Arles.
Reisen war früher viel beschwerlicher, und doch sind Kaufleute, Handwerker, Spitzbuben und Musiker schon damals ganz schön herumgekommen. Sie trafen sich an geografischen Wegkreuzungen, erzählten Geschichten, sangen Lieder. Die Karpaten sind eine solche Reisegegend, und auf diese Art und Weise sammelten sich im Laufe der Zeit Klezmersongs, Tänze aus Rumänien, Lieder der Roma und Melodien aus Ungarn in der Region von Maramures. Aus diesem Fundus schöpft die Hudaki Village Band.
Spottlieder, Liebeslieder, Lamenti und Lieder zu Dorffest machen das Repertoire aus. Die Hudaki Village Band stellt seit Jahren ihre Auswahl aus diesem Melodienschatz quer durch Europa vor. Schon nur die Band zusammen zu halten ist in Zeiten des Krieges sehr schwierig, denn einige jüngere Musiker von jenseits der Grenze, aus der Ukraine, wurden für den Krieg eingezogen. Doch die Frauen und die älteren Musiker halten die Stellung, und so brachte die Village Band ihr traditionelles, aber nicht verstaubtes Repertoire nach Arles.
Bald hielt es eine rechte Anzahl von Konzertgängerinnen (ja, fast ausschliesslich Frauen) nicht mehr auf den Stühle. Denn viele dieser Lieder laden zum Tanz.
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La Muchacha Y El Proprio Junte, eine ganz junge Truppe aus Kolumbien, eröffnete den Abend in antiken Theater. Wobei die Sängerin und Komponistin La Muchacha schon einen sehr guten Ruf als unerschrockene Protestsängerin und Umweltaktivistin hatte, bevor sie sich einen Bass und ein Schlagzeug anlachte. Die Instrumente halten sich zurück, denn es geht um die Songs, und deren Botschaften, verliehen ihnen aber etwas Bodenhaftung und Muskeln. La Muchacha singt oft über den Schutz der Umwelt, um den Kampf um’s Wasser und anderer Ressourcen.
Mit „jung“ ist auch gemeint, dass das Trio noch kein grosses und eingeschliffenes Repertoire besitzt. Doch sie bauen ein geschickt dynamisch aufbauendes Set, wechseln die Tempi, legen gegen Ende des Konzertes sogar noch etwas Effekte auf die akustische Gitarre. Als Zugabe gibt es eine folkige Hip Hop Nummer. Da passt vieles zusammen. Da kann noch was wachsen.
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Mit Israel Fernández kam eine der angesagten Stimmen des Flamenco nach Arles. Zusammen mit seinem Gitarristen Diego del Morao, seinen beiden Palmas-Könnern und einem Cajon, stellte er sein Album „Pura Sangre“ vor. Herzblut Geschichten, sehr oft aus seinem persönlichen oder familiären Leben. Man muss nicht Spanisch können, um Worte wie Papa und Mama zu verstehen. Das Lied, in dem die Mutter die zentrale Rolle spielte, war übrigens doppelt so lang wie jenes des Vaters …
Wie der Programm-Titel so die Darbietung des Sängers. Die Geschichten sind so persönlich, die Interpretation so frisch, dass es immer wieder scheint, als würde Fernández die Geschichte im Moment in Worte fassen. Instant Poesie, unterstützt von der enormen Virtuosität seines Gitarristen, und dem tuckernden Motor der Palmas und des Cajons. Frisch, präsent und ehrlich.
Für LeserInnen aus der Schweiz oder Frankreich: Der Sänger hat auf der Bühne eine ähnliche Ausstrahlung wie Stephan Eicher: ein enthusiastischer, charmanter Musiker mit Schalk und Humor.
Die Truppe schien auch zufrieden zu sein mit ihrem Auftritt, denn bei der Verabschiedung gab’s ein kleines, improvisiertes Tänzchen. Hüpfend und lachend verliessen sie die Bühne. Ein schöner Abschluss.
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