Es muss etwas Spezielles im Trinkwasser von Lyon geben. Anders ist die Existenz von klangvoll experimentierenden Bands, wie z.B. L’Étrangleuse, kaum erklärbar.
Vielleicht darf man die Schuld nicht dem Trinkwasser geben. Möglicherweise liegt es in den Überbleibseln der keltischen Kultur. Die Kelten gelten ja einerseits als sehr kreativ und künstlerisch, andererseits als ziemlich widerständig, ja als widerborstig. (Ich sage nur «Schlacht bei Bibracte», 58 v. Chr.) Auf jeden Fall hat sich in den letzten Jahren in Lyon eine musikalische Szene entwickelt, die sich gerne bei Traditionen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen bedient, dann aber etwas Neues, Anders-Klingendes daraus machen will. Gerne auch gegen jede Konvention. (Vielleicht auch mal reinhören bei Dowdelin, BKO oder PoiL (Spotify), und auch der Guimbri-Spieler von Bab L’Bluz stammt aus Lyon.)
Was L’Étrangleuse zusammen mixen enthält Anleihen an die Musik Malis – wegen des Gebrauchs der N’Goni – Desert-Blues, Post-Punk und obskuren Folk-Quellen aus ganz Europa. Frontmann Maël Salètes war früher mal bei der experimentierenden Genfer Grossformation «Orchestre Tout Puissant Marcel Duchamp».
Das vorliegende, vierte Album ist denn auch ein ziemliches Schmirgelpapier für jene Ohren, die bisher vor allem den Wohlklang suchten. Die Songs kippen gerne. Sie fangen irgendwo in einem Folk-Universum an, werden dann durch unkonventionelle Perkussion und viele Fusspedale für Gitarre und Harfe (!) zu klanglichem Kleinholz verarbeitet. Es ist, als würden sich die MusikerInnen in allzu viel Wohlklang unwohl fühlen. Die Songs werden in der zweiten Hälfte also gerne mal geschreddert.
Wer Musik auch als Herausforderung annehmen kann erhält hier eine ziemlich deftige Portion serviert.
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