Zwei improvisierende Duos haben sich für ein Quartett-Projekt zusammen gesetzt: Les Égarés heisst übersetzt «die Verwirrten». Das trifft nicht auf die Musiker zu.
Eine andere Übersetzung für «Les Égarés» wäre «die Irrenden» oder «die Verlorenen». Nun, keine der Übersetzungen trifft das, was in 55 Minuten ins Ohr gelangt. Kurz zur Geschichte des Projekts: die vier trafen sich 2019 am Festival «Les Nuits de Fourvière» in Lyon. Die Absicht: Improvisation ist wichtiger als Proben und Abmachungen. Das war auch das Credo für diese Aufnahmen drei Jahre später. Rückblickend meint der Cellist Vincent Peirani (in Songlines):
Die Struktur des Albums ist einfach: die musikalischen Grundlinien sind klar, wir sitzen alle zusammen in einem Raum, spielen, und hören uns zu. Ballaké ist das Wasser, Vincent das Feuer, Émile die Luft und ich bin die Erde. So kam es mir jedenfalls vor … Ballaké ist immer sehr neugierig und sucht musikalische Abenteuer. Er spielt gerne mit «Zauberern»: Leute mit hohem handwerklichen Können und musikalischer Demut.
In JAZZthing fasste Vincent Peirani seine Erfahrung mit diesem doppelten Duo so zusammen:
Beide Duos für sich sind sehr stark, und es ist uns gelungen, diese Intimität, diese Freiheit des Dialogs zu behalten und im Quartett wiederzufinden. Jeder hat versucht, die Universen des anderen zu verstehen, das Ganze vor dem Hintergrund, sich im Team musikalisch zu vergnügen.
Und Émile Parisien ergänzt:
Es geht vor allem um das Zusammentreffen. Man lässt sich so leben, wie man ist, und zugleich tragen von der Musik.
Nun, dem gibt’s kaum was hinzuzufügen. Das Duo Sissoko – Segal ist den Weltmusikfreund*innen sicher ein Begriff («Chamber Music», «Musique de Nuit» und viele, gemeinsame Studioarbeiten). Das Duo Peirani – Parisien kommt von der jazzigen Seite her auf dieses Projekt zu (Spotify-Links zu «Abrazo» und «Belle Époque»). Das Grundrepertoire, das die Musiker zusammengetragen haben, beinhaltet Eigenkompositionen oder Anlehnungen an Stücke von Joe Zawinul oder Marc Peronne. Alles interpretiert mit grosser Freiheit und gutem Gehör, sprich: man hört sich beim spielen aufmerksam zu, und bringt sich in die klingende Diskussion dort ein, wo man was zu sagen, resp. spielen hat.
Die zehn Einspielungen sind kleine Kunstwerke mit Atmosphäre. Es ist, als würden die Aufnahmen von einem ständigen, humorvollen Lächeln begleitet.
Rating:
P.S. Nicht verunsichern lassen: Für diese Produktion haben nicht nur zwei Duos zusammen gefunden, sondern auch zwei Labels Nø Førmat und ACT – es gibt also zwei leicht unterschiedliche Covers, der Inhalt ist derselbe.
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