Es ist eine Heimkehr, mit einem Rucksack voller Erkenntnisse, Können und Gelassenheit: Souad Massi hat ein empathisches, nachdenkliches Pandemie-Album veröffentlicht.
«Sequana» ist eine Album der Zurückgezogenheit, des Nachdenkens und der stillen Lieder, des Reflektierens in Poesie und Harmonie. Ein Grundthema von Souad Massi ist immer noch das Leben im unfreiwilligen Exil, auch wenn Algerien weit weg ist, und Frankreich die neue Heimat. Doch da ist auch die «neue» Situation des Ausschlusses, aus dem Leben, aus der Gemeinschaft, erzwungen durch die Pandemie.
Souad Massi hatte während den Corona-Monaten viel Zeit zu lesen, sich zu erinnern, Musik zu hören. Die elf vorliegenden neuen Stücke sind das Ergebnis. Das Titelstück, Sequana, beruft sich auf die Schutzgöttin der Seine. Aber auch die Göttin für Heilung. Das erste Lied der Produktion ist fast eine Anrufung:
Zeige mir ein Land, dessen Grenzen ans Paradies grenzen, in dem keine korrupten Politiker wohnen, und das keine elenden Kriege führt.
Sie las u.a. auch über Victor Jara, den chilenischen Liedermacher, der von der Junta 1973 ermordet wurde. Und schrieb für ihn das Schlusslied der Produktion:
Vivra l’artiste qui sourit à la vie qui l’a fait pleurer
Oder sie schreibt eine Übersetzung von «Hurt», einem Song der Nine Inch Nails (Spotify), den sie in der Interpretation von Johnny Cash (Spotify) kennen gelernt hatte. Gegenüber The National News begründete sie diese Wahl so:
As an Arabic musician, these painful and contemplative lyrics are not really found in Arabic songs, which, for better or worse, tend to focus on the lighter side of human relationships.
Es sind Lieder, die zur akustischen Gitarre geschrieben wurden. Folk Songs mit Melodien, die jedes offene Ohr / Herz sich sofort zu eigen machen kann, nahe Lieder. Produzent Justin Adams, der Gitarrist mit Rock in der einen Herzkammer, und einer festen Beziehungen zu den Grooves und Harmonien des Magrebs und der Sahara in der anderen, hat feinfühlige Arbeit geleistet. Er spielt selber diverse Saiteninstrumente, nutzt Perkussion, und greift nur in einem Track zur lauten Stromgitarre und nutzt den Schub der Verstärkung.
Sequana ist Songschaffen, so wie sich Souad Massi seit dem Anfang ihrer Karriere definiert: als poetische Geschichtenerzählerin. Doch ist sie in der persönlichen Entwicklung mehrere Stufen sensitiver geworden: Tiefer, abgeklärter, aber nicht bitterer. Verletzt, aber nicht verhärmt, und immer noch hoffnungsvoll.
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