Je näher das Wochenende rückt, umso länger werden die Konzertnächte an den Stanser Musiktagen. Ich musste am Freitag Abend von vornherein die Konzerte des Gurdjieff Ensembles aus meinem Hörplan streichen, das von Missy Brown oder Medeski, Martin & Wood. Es standen Stimmen im Zentrum, und ein rechter Schuss Adrenalin.
Das Chäslager war proppenvoll als Kareyce Fotso die Bühne betrat. Die Sängerin aus Kamerun überzeugte einmal mehr mit einer einnehmenden Präsenz. Sie glänzt nicht mit Gitarrenkünsten oder einer druckvollen Band, denn da sind nur sie, ihre drei, vier Instrumente – und ihre Stimme! Und eben: Ein gewinnendes Wesen.
Ganz anders im Kollegium: der Meister der Tango-Inszenierung, Melingo, stand auf der Bühne. Der Mann mit den rauhen und verkratzten Stimmbändern brillierte weniger durch einen immensen Stimmumfang, sondern durch seine Interpretationskraft. Dramatik liegt ihm in Blut, und er nutzte diese Kraft mit jedem Schritt, mit jeder Handbewegung. Am Anfang lenkte er etwas gar viel Aufmerksamkeit auf seine expressionistische Bühnenfigur. Doch mit der Zeit gewann auch sein Repertoire an Strahlkraft. Die Musiker konnten sich in Szene setzen, der Meister bot ihnen genügend Raum. Und der Tango bekam ein Gesicht, weg vom Tanz, hin zu den dramatischen Geschichten des ganz normalen Alltags: Leid, Verlorenheit, Liebe, Trauer, Sehnsucht – die grossen Gefühle in Lieder gegossen.
Pop-Elfe und ein Funk-Punk-Jazz-Gebläse
Ein kurzer Besuch noch, rechtzeitig für die Zugaben, im Theater an der Mürg bei Maïa Vidal. Die Franko-Amerikanerin mit Wohnsitz Barcelona ist eine Pop-Elfe. Sie hüllt ihre entlarvenden oder manchmal bittersüssen Texte in einen Kokon von trällerndem Jungmädchen-Chanson. Sie und ihre beiden Mitmusiker bedienen ein kunterbunt bis kindliches Sammelsurium von Instrumenten und schaffen so eine ganz spezielle Klangwelt. Mehr über die eigenwillige Sängerin und ihre nur scheinbar zerbrechlichen Liedern gibt’s in einem Porträt beim Kulturplatz von SRF vom 18.4.2012.
Ein kurzer Besuch im grossen Zelt zeigte: der Berner Rapper Tommy Vercetti und seine Band haben das Publikum auf ihrer Seite. Dann weiter in den Club im Engel. Hier waren Gato Loco angesagt. Diese „verrückte Katze“ konnte wohl nur in New York zur Welt kommen, denn nur eine Stadt, die weltweit als kultureller Schmelztiegel bekannt ist, kann eine solch kunterbunte Bastard-Band hervorbringen – sie selber sagen dem Psycho-Mambo. Mit Fun und Funk, mit viel Schub und Witz spielten sie sich durch ein Repertoire, welches keine Weltgegend unbespielt und kein Tanzknie unbewegt liess. Im Blog der Stanser Musiktage gibt’s Links zu einigen der verrückten Videos der Truppe. Selbstverständlich gilt: LAUT hören.
Es gibt noch einen Konzertabend in Stans zu geniessen – hier das Programm.
Die Konzertberichte sind hier: Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag.