Eine Berliner Bigband und einige Ikonen aus der Zeit, als in Mali noch grosse Orchester in den Bahnstationen und Hotels aufspielten – Cinemascope-Sounds.
Die Geschichte dieser Aufnahmen kann mit zwei Mal „Es war einmal“ erzählt werden. Da war einmal in den 60er und 70er Jahren eine Zeit, als die Latin-Sounds aus Kuba und der amerikanischen Ostküste nach Westafrika zurückkehrten. Im Senegal beeinflusste das Projekte wie das Orchestra Baobab oder Africando. In Mali entstanden unter diesem Einfluss Grossformationen wie die Rail Band in Bamako, oder die Super Bitons de Segou. Sie waren die musikalischen Petrischalen für spätere Stars wie Salif Keita, Cheick Tidiane Seck oder Mory Kanté.
Dann war da einmal – und ist immer noch – das Omniversal Earkestra, das seit mehreren Jahren einmal pro Woche in Berlin aufspielt. Die Musiker stammen aus unterschiedlichen Stilheimaten. Sie arbeiten mit einem Big Band Repertoire zwischen Duke Ellington und Fela Kuti. Und irgendwann kamen die Kompositionen der grossen Truppen aus Mali in die Sammlung. Daraus entwickelte sich auch der Wunsch, zu den verbleibenden Altmeistern nach Mali zu reisen, mit ihnen zu musizieren, gegenseitig zu lernen. Die Reise der Bigband wurde in einem Dokumentarfilm festgehalten, zwei Teaser aus dem Film sind auf der Website zum Album mali70.de und auf Trikont.de, dem Label, das das Projekt begleitet, zu sehen.
Wer die Kombination Westafrika und grosses Bläserensemble nur in der Version von Fela Kutis Afrobeat kennt, hört hier die weichere, die melodische Seite jener Epoche. In Mali (und im Senegal) ging es nicht um politische Kampfansage und hektische Funkbeats, wie sie aus Nigeria kamen. Hier war Geschmeidigkeit angesagt, und die tänzerische Wiederaneignung eines musikalischen Erbes. Um eine Aneignung dieser Stimmung, dieses musikalischen Gefühls ging es auch dem Omniversal Earkestra. Experiment gelungen!
Einzig das Corona-Vorus stand dem Projekt feindlich gegenüber, sonst hätten der Film und die in diesem November geplante Plattentaufe in Berlin wohl grössere Wellen geworfen. Trösten wir uns mit dem Silberling. Er ist eine Verbeugung der Europäer vor einer Musikära aus Mali, und für die Malier wohl auch eine Genugtuung, dass ihre Musik und ihre Kompositionen im Westen weiterleben.
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