Die Abschlussnacht an der WOMEX 2022 begann nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit dem Conga-Feuerwerk von Brenda Navarrete.
Nicht einfach, wenn man den Festivalabend in einem Raum eröffnet der Colosseum heisst, sicher an die 5’000 Leute fasst, und es sind erst gerade mal 50 Personen im Saal. Doch die Kubanerin Brenda Navarrete liess sich davon nicht beirren. Sie demonstrierte den Anwesenden und Ankommenden – es strömten in der Folge immer mehr in die Arena – warum die Rumba ein Tanz voller Drehungen und Wendungen ist. Musikalische und rhythmische Wendungen in den Arrangements der Musik lösen solche Tanzreflexe einfach aus. Dazu gespielt von einer Band, die jede Drehung mitmacht, und dirigiert von einer Frontfrau mit Charisma und Schlagfertigkeit – ich spreche von ihren Händen.
Spotify
Heute nehmen es Stefano Saletti & Banda Ikona locker. Sie wissen, dass die WOMEX-Leute immer für eine Party zu haben sind, also gibt er ihnen Party. Eine Band, die zig Konzerte in den Knochen hat, und mit Barbara Eramo eine charmante und in allen mediterranen Stilen bewanderten Frontfrau.
Spotify
Bleiben wir im Mittelmeer, ankern wir vor Marokko, besuchen wir Aywa. Hier treffen Gnawa-Grooves auf Rock. Die Arrangements sind in den Ansätzen vorhersehbar, doch haben sie immer wieder jenen kleinen Zwick dabei, der sie einmalig macht. Ich bin ziemlich sicher, dass die eine oder andere Nummer sich als Ohrwurm entpuppen könnte.
Spotify
Ich gönn mir noch ein paar Takte lusofonische Süsse und Geschmeidigkeit. Karyna Gomes hat beides drauf. Die Sängerin aus Guinea-Bissau bringt afrikanische Souplesse und westliche Coolness so zusammen, dass selbst Songs, die sonst in der Schublade ‚Allerwelts-Pop‘ landen, Profil erhalten.
Spotify
Aus Neapel zwei Saitenkünstler und eine Sängerin, welche die Gassenhauer von einst neu aufleben lassen: Suonno d’Ajere. Sie greifen dabei tief in die Schatztruhe Süditaliens, und holen jene Melodien hervor, die einst den gefühlvollen Gesang Neapels in der Welt bekannt machten. Eine Reise in die Vergangenheit, aber ohne allzu viel Patina.
Spotify
Dann war ich am ersten Tuba-Solo-Konzert meines Lebens. Gegeben hat es der Norweger Daniel Herskedal. Er brachte noch ein paar Hilfsmittel mit: Ein paar vorfabrizierte Sequenzer-Spuren, ein Flügelhorn und eine Loop-Maschine. Das gab ihm genug Freiheit in seinen Improvisationen, und Kompaktheit in den Kompositionen. Wer hat schon gehört, wie viele Töne, Obertöne, Klänge und Sounds gleichzeitig dem schweren Blechinstrument entlockt werden können? Ich, und ich fand’s grandios!
Spotify
Hier ein kleiner Ausschnitt aus einem (unerlaubten) Mitschnitt von gestern Abend.
Wenn wir schon bei Electronica und ihren Live-Einsatz sind: die Portugiesin Ana Lua Caiano ist Meisterin in der virtuosen Handhabung von Loops, ihrem variablen Einsatz im Live-Arrangement und im Mix mit Gesang und akustischen Instrumente. Da gibt’s nicht zwei Welten, die in einem Song zusammen kommen, sondern eine Musikerin, die Akustik und Electronica gleichwertig behandelt, gleichwertig beherrscht und so einen äusserst natürlichen Gesamtsound kreiert.
Spotify
Ich war etwas im zeitlichen Verzug und erlebte von Derya Yildirim und der Grup Simsek nur noch die letzten Takte ihres Sets, strahlende Gesichter auf der Bühne und einen tosenden Applaus – da scheinen sich MusikerInnen und Publikum gefunden zu haben.
Es ging dann am italienischen Abend auf der Themenbühne weiter – Headbanging war angesagt mit Kalàscima. Hier wurde die Tarantella mit der Wucht einer Heavy-Metall Truppe gemischt. Süditalien war noch immer rauszuhören, die Tambourine brachten den Drive in die Sache, Akkordeon, ein seltsames Blasinstrument und ein Saxophon sorgten für Hooklines und Soli, und zwischendurch wurde auch fachgerecht gerappt.
Spotify
Und gleich noch eine Premiere: drei Ladies aus Südkorea zeigen, wie Synchron- und Trio-Trommeln in Höchstperfektion und in rasenden Tempi inkl. Variationen nach spätestens vier Takten klingt: Überwältigend! Das Trio groove& bot geschickte Dynamik im Aufbau der Songs, Witz und Überraschung im Arrangement, und höchste Beherrschung der Instrumente. Ich hatte noch nie einen funky Gong gehört – bis gestern!
Spotify
Zum Ausklang gab’s mit Prétu noch den Beweis, dass auf den Kapverden nicht alles Morna, Batuka oder Funana ist, sondern auch dort Electronica und Hip Hop Einzug gehalten haben. Für einmal wurde mit Visuals – u.a. war der Gitarrist via Screen anwesend – und einem Live-Tänzer auch dem Auge einiges geboten.
Spotify
P.S. Dass die Besucherinnen und Besucher der WOMEX auf dem Nachhauseweg jede Nacht mindestens einmal in den Schutz eines Hauseingangs hasten, oder vor dem prasselnden Regen in ein Taxi flüchten mussten, trübte die Gesamtstimmung in keiner Weise.
WOMEX 2022 im Überblick
Der Eröffnungsabend
Der erste Konzerttag
Der zweite Konzerttag
Der dritte Konzerttag
w. meint
Hoffentlich ist es nicht auch noch kalt. Gut gemacht!