Das Festival Les 5 continents ist eine Mischung aus Stadtfest, Marktplatz, vielen Bars und Buvettes, Garküchen und festfreudig aufgestelltem Familienpublikum. Es ist ein Integrationsfest, und daher wird auch auf vielen Flyern und Plakaten jedem möglichen, fehlenden Respekt die rote Karte gezeigt.
Das Fest findet zum 30. Mal statt. Da könnte sich manche deutsch-schweizerische Gemeinde eine Scheibe abschneiden. Da ich mir weder die Hände mit Henna-Mosaiken verzieren lassen, noch meine Haare mit Fremdhaar erweitern lassen will, wende ich mich gleich der Musik zu.
Auf der Hauptbühne steht MoonSpeichel – ja, es gab schon glücklichere Namensentscheide für einen Alleinunterhalter. Früher nannte man so einen Mann oder eine Frau die, angetrieben oder unterstützt von einem japanischen Schlagzeuger oder einem Arpeggio-Keyboard, Standardsongs zu besten gab. Querbeet durch Evergreen und Hitparade. Mitsummen erwünscht.
Heute heisst das drei Keyboards und eine Loopmaschine. Allerdings muss ich kritisieren, dass der junge Mann ziemlich uninspirierte Akkordfolgen wählte, um sich selber die Begleitung für ebenfalls nicht sehr inspirierte Soli zu bauen.
Der nächste Programmpunkt ist Antonio Perujo & Alegria Flamenca. Tanz mit Live-Musik (Palmas, Gitarre). Stolz leuchtete im Gesicht des Tanzlehrers und seiner Schülerinnen.
Die Links der Interpreten führen jeweils auf das Programmheft des Festivals. Dort gibt’s weitere Links und Quellenangaben.
Auf der kleinsten Bühne präsentieren sich einheimische Songwriterinnen und weitere Alleinunterhalter. Das ist charmant. Fast jeder Auftritt wird vom anwesenden Freundes- und Bekanntenkreis ausgiebig gefeiert und beklatscht.
Der nächste Auftritt auf der Hauptbühne gehört einem alten Bekannten mit seinem aktuellen Trio: Dan Gharibian – ehemaliger Bratsch-Gitarrist. Begleitet wird er von Benoit Convert, einem sehr vifen Manouche Solisten, und Antoine Girard, einem ebenso rührigen Akkordeonisten. Das Repertoire ist das persönliche Lebensreise-Tagebuch des Gitarristen, und reicht von armenischen Lamenti bis ausgelassenen Swing-Nummern. Lieder und Melodien, die im Mittelmeerraum eine neue Heimat gefunden haben. Jazzig, beschwingt, ausschweifend und gekonnt.
Ich war etwas erstaunt, wie viel Zeit die Musiker im Vorfeld aufwendeten, um die Bühnen-Monitore in optimale Balance zu bringen (fast eine Stunde…und das ältere Publikum sass bereits vor der Bühne und genoss auch den Soundcheck). Im Konzert zeigten sie dann, dass sich der Aufwand lohnt, damit die drei Stimmen auch wirklich harmonieren, und sich nicht, wegen zu wenig Gehörkontrolle, aneinander reiben.
Mit Widrigkeiten hat Aurélie Emery zu kämpfen. Die junge Sängerin stellte ihr ambitioniertes Projekt vor. Sie hat Gedichte von Corinne Bille, einer der bekanntesten Schriftstellerinnen aus der Romandie, in Musik umgesetzt.
Auf der kleinen Oasis-Bühne versuchte sie, diese mit Gitarre und Bass zu besingen, und zu rezitieren.
Doch sie hatte ein sehr geschwätziges Publikum, denn für viele ist das Festival wohl einfach ein freier Abend, an dem sich alle mal wieder begegnen und über die letzten Monate berichten, oder einfach dass gottseidank nicht mehr so stark regnet wie gestern.
Auf der dritten Bühne steht ein Trio aus Frankreich und Tunesien, das Douar-Trio. Es spielt verzwickten, aber interessanten und zugänglichen Ethno-Jazz. Wobei sich die Ethnie nicht wirklich definieren lässt – Mittelmeerraum dürfte es wohl auch hier treffen. Die Oud vertritt den Magreb, Stehbass und Bassklarinette liefern die tiefen Melodien. Zuweilen jagen sich die drei unisono bis in die komplexesten Läufe, dann wieder sind je zwei sehr unterstützend für die weiten Ausflüge des Dritten. Keiner drängt sich vor, keiner kommt zu kurz.
Bereits erwähnt wurde, dass sich bei Les 5 Continents auch um ein Integrationsfest handelt. Deshalb darf die kulinarische Vielfalt nicht vergessen werden. Asien, Afrika und Europa sind in bunter Vielfalt hier vertreten. Südamerika habe ich noch nicht entdeckt. Auch kein Känguru und Krokodil, also nehme ich an, dass auch Australien beim Les 5 Continents nicht vertreten ist. Ausser in Form von saurem Gelee.
Unterdessen stellt sich auf der Bühne der Headliner des Abends auf: BandAdriatica. Vier Bläser, eine schubkräftige Rhythmustruppe mit Gitarre, Bass und Schlagwerk. Die Banda wird angeführt vom Sänger und Organetto-Virtuosen Claudio Prima.
Die Musiker wissen, warum sie hier und zu dieser Tageszeit programmiert wurden: Party ist angesagt. Und das liefert die ebenfalls stimmgewaltige Band aus dem italienischen Salento mit Herzblut, sauberem Timing, viel Schub und einer rechten Portion Showtalent.
Pizzicas aus dem Süden Italiens, Balkan-Einflüsse von jenseits der Adria, die Erfahrung aus hunderten von Partys und Konzerten zeigen bald ihre Wirkung: das Publikum in Martigny kommt schnell in die Gänge, und lässt die Band erst nach fast zweistündigem Konzert, mehreren Zugaben, und weit nach Mitternacht, ziehen.
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