Fado aus dem traditionellen Liederbuch legen uns Sängerin Lina und Produzent Raül Refree vor – nur klingt hier ausser der Melodie fast nichts nach Fado.
Ganz am Schluss, erst im letzten Song, klingt sie dann doch noch, die Gitarre. Etwas länger als eine Minute. Doch auch hier nicht die perlende, Stahlsaiten bespannte, portugiesische Gitarre die zum Fado gehört wie Strom zu Rockmusik. Nur gezupfte Nylonsaiten. Vorher, im dritten Song ist sie auch da, kaum wiedererkennbar, perkussiv, verhallt. Welche Instrumente werden denn gespielt? Piano, Keyboards, ein analoger Synthesizer, ein Akkordeon. Das klingt in Worten beschrieben wie ein Sakrileg im Fado. In der Musik ist es ganz anders.
Zu den Musiker*innen: Lina ist eine junge Fadosängerin, die sich bestens im Liederbuch der Fado-Lichtgestalt Amália Rodriguez auskennt. Unter dem Bühnennamen «Carolina» hat sie bereits zwei Produktionen eingespielt (Link zu Spotify). Raül Refree ist Produzent. Er produzierte u.a. das erste Album «Los Angeles» der schillernden Neo-Flamenco-Pop-Sängerin Rosalia. In einem Interview-Take auf der Homepage des Glitterbeat-Labels erinnert er sich:
Lina thought that fado needed something similar to what I did with flamenco.
Interview zum Album auf Glitterbeat
So stand eine Interpretation der klassischen Songs mit Gitarre nicht zur Diskussion. Statt dessen dunkle, stehende Synth-Wolken, Bordun-Breitleinwand-Töne, Piano-Arpeggien, langsam. Klanghüllen in die sich die Sängerin Lina wickelt. Sie singt mit dem von den klassischen Vorbildern bekannten Tremolo in der Stimme, aber nie mit der alles verzehrenden Inbrunst; eher kühl, zurückhaltend, etwas zerbrechlich, wenig klagend.
Fado, der nicht mit Gefühlsintensität überzeugt, sondern mit Zurückhaltung, Sprödheit. Eine neue Klangwelt für ein altes Liederbuch.
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