«Laysongs» ist nicht das erste Album, das Chris Thile unter seinem Namen veröffentlicht. Aber sein erstes vollständiges Solowerk.
Chris Thile ist der gefeiertste Mandolinen-Virtuose der USA. Andere Produktionen unter seinem Namen hatten immer musikalische Unterstützung. Hier haben wir Chris Thile pur, seine Mandoline, klatschen, stampfen, seine Stimme – keine Studio-Schmirgelarbeit. Das Album ist eine Seelenforschung, das Objekt: die eigene Innenwelt. Das Thema: Wie halte ich es mit dem Glauben? Darum sind es Laiensongs. Der Hintergrund ist aus dem realen Leben gegriffen:
Als Chris gerade mal acht Jahre alt war wandten sich seine Eltern einer fundamentalistischen Christen-Gemeinschaft zu. Der Schritt in die Gemeinschaft, und auch die spätere, persönliche Lösung von Chris aus dieser Gemeinschaft heraus, bildet der äusserst persönliche Hintergrund der Produktion. Sie ist auch eine Reaktion auf Corona, denn plötzlich sind ganz viele Menschen auf der Suche nach neuen Sicherheiten, oder einem Ausweg aus existenziellen Nöten. Ein englisches Interview mit Chris Thile gibt es zu diesem Themenmix mit Robin Young auf NPR. Ein Resultat dieser Gedankenarbeit:
Werde ich in Zukunft so offen auf Menschen zugehen können und wirklich hören, was sie zu sagen haben, auch wenn es nicht meinem jetzigen Denken entspricht?
Zentral in der Produktion ist die dreiteilige Suite «Salt (in the Wounds) of the Earth» – ursprünglich eine Auftragsarbeit für die Carnegie Hall. Textlich eine monologisierende Diskussion um das Buch von C.S.Lewis «Dienstanweisung für einen Unterteufel». Harmonisch teilweise vollständig losgelöst vom Grundton, in den Tonleitern herumturnend, melodisch zwischen schmeichelnd, rappend und hechelnd. Musikalisch geht Thile an harmonische und stimmliche Grenzen, kippt manchmal darüber hinaus.
Weitere Kompositionen auf «Laysongs» sind eine Sonate von Béla Bartok, und ein leicht taumelndes Lied über Dionysus, den griechischen Gott des Weins, des Wahnsinns und der Ekstase. Ebenfalls dabei eine alte Bluegrass-Melodie, und ein Song, an dem schon Buffy Sainte-Marie (Spotify-Link) und Leonard Cohen gearbeitet haben: God Is Alive Magic Is Afoot.
Aufwühlend, verunsichernd; keine leichte Kost! Aus jedem Ton, jeder Note hört man die Suche eines Künstlers nach Sinn und Sicherheit – obwohl er weiss, dass auch die nur für kurze Zeit gültig sein werden.
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