Les Suds à Arles – Tag 4 Rückblende

Justin Adams Mauro Durante Arles 2022

Der vierte Tag am Festival Les Suds à Arles war ein Tag der Nähe, und das Programm war auch nicht so übervoll wie die Tage zuvor. Und ja, da war ja auch noch der offizielle 14. juillet, der Nationalfeiertag.

Wo immer in Südfrankreich die Musik der Pays d’Oc, der okzitanischen Sprache gefeiert wird, ist einer nicht weit weg: Manu Théron, Okzitan-Aktivist, Sänger und Trommler. Er stellte sein neustes Projekt, das im Entstehen ist, vor.

Dann waren auch die Organisatoren vom Können von Sängerin Rebecca Roger Cruz und Maracas-Meister Manuel Alejandro Rangel hell begeistert, (siehe Bericht von gestern) und luden sie zum Duett ein. Die beiden boten zwei Glanznummern aus Virtuosität und Ausdruck.

Stichwort Nähe: mit Sourdurent spielte auf der Place Voltaire eine Folk-Truppe aus der Auvergne, wenn auch mit nicht so traditionellen Instrumenten wie Guimbri und Banjo, aber in archaisch rauher Tradition.

Das Publikum dankte es mit gekonnten Tanzeinlagen und anhaltendem Applaus.

Der Abend im Amphitheater gehörte André Manoukian, seinem Quintett und seinen sechs Balkan-Stimmen. Ich erlebe Manoukian als einen grossen Entertainer. Der TV- und Radiomann, Publizist und Musiker unterhielt sein Publikum nicht nur mit leichtfüssigen, doch komplexen Jazz-Arrangements. Er ist auch ein begnadeter Erzähler.

Zwei kleine Beispiele: Sein aktuelles Projekt beschäftigt sich mit dem Land seiner Abstammung, er ist Armenier. Auf der Bühne erklärte er dem Publikum unterhaltsam, wie man komplexe Rhythmen zählt und klatscht – das ganze Theater konnten anschliessend einen 9/8 Takt klatschen! – «und wie werden diese Rhythmen in der Musiktheorie genannt? Türkische Rhythmen. Nun, damit muss ich als Armenier eben leben.»

Oder als er, schon als kleiner Bub von den fremden Tonleitern, der Komplexität des Jazz fasziniert, seinen Lebensplan so definierte: «Ich möchte in einem Bordell Piano spielen!» Er wusste zwar noch nicht, was ein Bordell war, aber dass dort Jazz-Musik gespielt wurde, hatte er gelesen.

Etwas an Leichtigkeit verlor das Konzert, als die sechs Balkan-Stimmen zum Quintett auf die Bühne kamen. Die Arrangements wurden komplexer, die Konzentration etwas angestrengt. Erst mit der dritten Komposition lockerte sich das Zusammenspiel auf. Das Publikum dankte mit grossem Applaus für die Weltpremiere des neusten Manoukian-Projekts.

Nähe gab’s auch im Konzert von Justin Adams und Mauro Durante im Club Croisière – die bislang kleinste Bühne, die ich hier in Arles kennenlernte, Platz für etwa 300 BesucherInnen. Eine bestuhlte Tribühne gewährt allen, das Geschehen auf der Bühne gut zu verfolgen.

Nähe zwischen den beiden Musikern: Der Sänger, Geiger und exzellente Tamburin-Virtuose Durante folgte dem Gitarristen Adams in jede Härteklasse seiner Riffs. Einen solch mächtigen Bassgroove, geschlagen auf einem Fell, habe ich vorher noch nie erlebt. Umgekehrt legte der Gitarrist weiche Klänge unter die Balladen aus dem Süden, verzierte und umgarnte.

Dass das Konzert gegen Ende in eine veritable Tanzparty ausartete war ein Zusammentreffen von Pizzica-Grooves aus dem Salento, immer härteren Beats Marke Tuareg, Mississippi und London, und dem frenetisch anfeuernden Publikum. Justin meinte beiläufig: Steht doch auf, und niemand in der Croisière blieb sitzen!

Ach, da war ja noch der 14 Juillet.

Scheppernde Ansagen über Lautsprecheranlage an der Hauptstrasse, Fahnen einholen, Fahnenübergabe, viele Rituale mit viel offizieller Prominenz mit noch viel längeren Zuständigkeits-Beschreibungen, (die stellvertretende Direktorin des Präfekten der Abteilung soundso in der Region etc.), und ein etwas martialischer Auftritt im Kleinformat – La Grande Nation eben. Etwas eingekocht in der Hitze von Arles.

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