Die Lieder der estnischen Songwriterin Mari Kalkun sind Gedichte und Anrufungen. Ihre Stimme ist kräftiger denn je, ihre Melodien wirken wie Beschwörungen.
Das Lieblingsinstrument von Mari Kalkun ist die Kannel, die estnische Version einer Kantele. Kein lautes Instrument. Sanft waren die Melodien der Estin schon immer, doch nun hat ihre Stimme an Kraft zugelegt. Der Ausdruck ist klarer geworden. Gleichzeitig nimmt sich die Produktion neue klangliche Freiheiten, baut grosse Klanggebäude aus gestapelten Tonspuren, webt Geräusche und Hallfahnen dazu. Und ehe man sich’s versieht wird aus einer zarten Melodie ein Breitleinwand-Epos.
Die Songs beziehen sich auf alte, mythische Geschichten, z.B. von der Entstehung der Landschaften. Sie schöpfen aus den Bildern alter Geschichten und Gleichnissen, erzählen von Zeiten, als die Steine noch weich und jung waren. Oder sie trauern um das langsame Sterben von Sprachen, die in einer globalisierten Welt von immer weniger Menschen gesprochen werden.
Das Piano, Kalkuns ursprüngliches Instrument, kommt wieder häufiger zum Einsatz. Auch Trommeln tauchen auf. Eine Trompete fährt wie ein schneidender Wind dazwischen, und wandelt sich gleich darauf in eine verhallende Erinnerung. Die Lieder der Estin klingen, als stehe sie alleine in einem Wald, oder auf einem Hügel. Singe für die Winde, für die Wolken. Es liegt ebenso viel viel Traurigkeit wie Freude in diesen Melodien. Mari Kalkun sagt über das Album:
Die Motivation für dieses Album war meine Neugier, wie wohl meine Vorfahren die heutige Welt der Wolkenkratzer, eine Welt aus Stahl und Metall besungen hätten. Im Zentrum steht die Spannung zwischen Mensch und Natur. Können die alten Runo-Songs noch etwas über unsere Über-Konsumation und den Klimawandel erzählen?
Sie können das sehr wohl. Verlangen aber, dass man als Zuhörer*in still wird, zuhören will.
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