Jetzt schöpft Goran Bregović auch bei seinen persönlichen Projekten mit der ganz grossen Kelle aus allen Klangwelten. Hier wirkt er symphonisch.
Der Komponist und Dirigent Goran Bregović ist durch seine Arbeit mit Filmsoundtracks gewohnt, grosse Orchester zu führen. Das hat er aber bisher selten für seine eigenen Projekte in Erwägung gezogen. Zwar ist sein «Wedding and Funeral Orchestra» nicht an eine bestimmte Musiker-Anzahl gebunden, der Bandbestand ist anpassungsfähig. Aber so grosszügig hat Bregović – soweit ich sein Werk kenne – für seine persönlichen Projekte noch nie vorher gearbeitet. Volles Orchester, voller Chor, weite harmonische Gesten, erzählerische Kompositionen, volle Dynamik.
Die CD ist auch ein Ergebnis der Corona-Massnahmen. Meister Bregović hatte Zeit – und anscheinend viele leere Notenblätter. Das neue Werk ist zweigeteilt. Der erste Teil, quasi der Opener (fast 9 Minuten) beschäftigt sich mit der grossen Frage: Wo hat diese Welt ihren Bauchnabel? (Das Cover gibt die Antwort.) Dann ein kurzes Innehalten, ein Moment der Melancholie und anschliessend der Schwerpunkt des Werks: eine musikalische Auseinandersetzung mit der grossen Frage: Welches ist die wahre Religion? (Ausgeführt von G.E. Lessing in „Nathan der Weise„)
Das ewige Thema der Ringparabel
Bregović hat dieses Thema schon in seiner letzten CD angerissen. Damals hiessen die Stücke noch Christian / Muslim / Jewish letter. Hier geht er weiter – und wird ausschweifender: Er erzählt die einzelnen Religion in Geschichten, übersetzt die tradierten Bilder der jeweiligen Glaubenslehre in Klangstrukturen. Volles Orchester, seine Band, eine grosser Männerchor, der Meister am Dirigentenpult. Die Geschichten sind je eine knappe Viertelstunde lang.
Die Ausmasse der Kompositionen sind ausschweifend, dynamisch zwischen beiden Enden der Skala beheimatet. Eine einzelne Geigenmelodie wächst innert kürzester Zeit in einem wuchtigen Crescendo in ein orchestrales Farbenwerk. Stichelnde Bläserarrangements wechseln in ausladende, klangvolle Kinoleinwände. Kein Register, das der Komponist und Dirigent nicht nutzt.
Diese Aufnahmen entziehen sich den aktuellen Kriterien von Pop- oder Welt-Musik. Es sind weltmusikalisch eingefärbte Grossleiwand-Klang-Malereien mit ganz viel Assoziationen. Sie erzählen viel, doch den Hinter-Sinn der Geschichten habe ich noch nicht herausgehört. Lasst es euch selber erzählen!
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