Das Liederbuch der spanischen Region Kantabrien, ganz im Norden der Halbinsel, kann dank den Folktronica-Interpretationen von Casapalma erkundet werden.
Kantabrien – schon der Name der Region klingt nach «Gesang». Casapalma ist ein Duo: Sängerin Irene Atienza und Produzent / Multiinstrumentalist Yoel Molina. Sie trafen sich während der Corona-Pandemie im Netz. Casa Palma ist auch ein Ort, genauer: ein Haus in der Region Cabuerniga. Es ist die Sommerresidenz der Familie Atienza. Hier lernte Irene als kleines Mädchen die traditionellen Lieder der Region von Mutter und Grossvater.
Als Sängerin lebte sie später mehrere Jahre in Brasilien. Pandemiebedingt zurück in ihrer alten Heimat überlegte sie:
Ich hatte jahrelang die Folklore eines anderen Landes gesungen und fragte mich, warum nicht auch meine?
Aus einem Interview in El Diario Montañes
Wurzelpflege und neue Klangbilder
Nur haben die Interpretationen des traditionellen Liederbuchs nichts mehr mit Folklore zu tun. Die beiden haben in der Neuinterpretation die Latte hochgelegt: Raül Refree ist die klangliche Referenzgrösse. Durch seine Arbeit mit Rosalía oder Lina_ hat Refree die Klang-Welt des Flamenco und des Fado neu modelliert. Um die Wurzeln der Liedtradition Kantabriens besser kennen zu lernen zogen Irene und Yoel in die Casa Palma, trafen sich mit Instrumentenbauern und traditionellen Musikern, lernten an den Festen und in den Kneipen.
Das Ergebnis: Sehr modern gefasste alte Melodien, ein Hörgenuss, und die Erkundung einer Liedkultur, die in meinen Ohren Spanien-untypisch klingt. Die Umsetzung im digitalen Umfeld hat nichts verkrampftes an sich. Casapalma bleiben auf der Seite des Lieds, fallen nicht in die Quantisierungs- und Optimierungsfalle der digitalen Produktionswelt. So ist dieser erste Longplayer des Duos kein Techno-Produkt, sondern eine Hommage an eine regionale Liedersammlung, umgesetzt mit Respekt, vorsichtig gesetzten Samples und neu gebauten Klängen.
Casapalma ist eine der wirklich geglückten Fusionen von Tradition und Technologie.
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