Ganz Martigny war am Samstag auf dem Place du Manoir am Festival Les 5 Continents – trotz brennender Hitze.
Sprechen wir vom Wetter an diesem Wochenende in Martigny. Am Donnerstag noch regnete es aus allen Kübeln. Die Rhone strömt seither in hohem Tempo, braun und bei hohem Pegelstand durch‘s Tal. Am Freitag dann grosses Aufatmen.
Die Sonne brennt, man sucht Schutz im Schatten. Das gibt Durst. Trotz 30jährigen Erfahrung beim Einkauf und Bestückung der Bars waren am Freitag schon in der Abenddämmerung alle Getränke-Depots ziemlich leergeräumt – so heiss und durstig war es in Martigny am Wochenende.
Doch zur Musik: Ich war am Samstag Morgen kurz auf dem Place du Manoir, und erlebte eine Band, die an keinem Stadtfest fehlen darf: die örtliche Blechharmonie «Les gars du Rhône». Das schon zahlreich anwesende Publikum drängte sich bereits in die Schatten (s.o.).
Mitte Nachmittag war ich rechtzeitig für den Auftritt der Jurigoz Band vor der Hauptbühne. Das ist eine Multikulti-Truppe mit Musiker*innen aus dem Magreb, gemischt mit Walliser*innen und Spaniern. Der musikalische Mix bewegt sich zwischen Raï, Chabi und Pop, ab und an sogar mit Anleihen bei Schlager. Dem Publikum gefiel der Mix.
Die Links führen zu Musiker*innen auf der WEbsite der Veranstalter.
Merope, die Band, die ihre Musik als «Folk Athmospherique» bezeichnet, tritt auf der kleinsten Bühne auf. Eine Zither, eine Gitarre, eine Folk-stimme aus Litauen sind die Zutaten zur atmosphärischen Beschallung. Es ist zu heiss für diese Sphärenklänge.
Das Publikum hängt in den spärlichen Schattenplätzen in den Seilen. Die Kraft reicht aber gerade noch für einen kräftigen Applaus für die Sängerin aus Litauen und den Gitarristen aus Belgien.
Ebo Khrdum. Ich kannte den Sänger und Gitarristen aus dem Sudan von Tonträgern, und dachte: Hoppla! Da ist jemand aber gut unterwegs auf den Spuren von grossen Vorbildern. Ali Farka Touré oder Bassekou Kouyate klingen an. Nach dem Live-Auftritt muss ich eine kleine Korrektur anbringen.
Ich weiss nicht, ob der Mann einfach auf sein Talent zählt, oder ob er die Musik zu seinem Job, seiner Sache machen möchte. Er ist undefiniert, spielt ohne Energie hinter den Tönen, spricht unverständlich und viel zu lange, bricht Songs ab – so steht niemand auf der Bühne der es wirklich wissen möchte.
Auch Christine Salem beginnt ihren Auftritt irgendwie fahrig. Ich finde die Instrumentierung etwas seltsam: verzerrte Gitarre, Geige, ein Perkussionist für die schweren Trommeln, eine Drummerin für ein geschickt zusammengewürfeltes Perkussions-Schlagwerk.
Ich habe Christine Salem schon an motivierteren Auftritten gehört. Sie fängt sich aber im Laufe des Konzerts, bringt die eingängigeren Songs aus ihren letzten Alben «Larg Pa Lo Kor» und «Mersi». Am Schluss ihres Auftritts ist jedoch nicht klar auszumachen, ob sie das etwas zurückhaltende Publikum aus der Reserve geholt hat. Oder ob das mittlerweile nicht mehr so hitzegeplagte Publikum Christine Salem aus der Reserve gelockt hat.
Vom Duo Swiran habe ich leider nur 2.5 Songs gehört, dann ging‘s zu einem Interviewtermin. Swiran ist ein Wortzusammenzug aus Switzerland und Iran. Hier trifft das Oberwalliser Hackbrett von Ephraïm Salzmann auf die persische Satour von Davoud Shirazi. Was ich hörte klang spannend und virtuos.
Am späteren Abend erklärte mir der Oberwalliser Salzmann dann, dass die beiden an ihrer ersten Produktion arbeiten. Die ersten Aufnahmen sind gemacht. Da bin ich mal gespannt.
Auch den Auftritt von Davide Ambrogio musste ich passen. Ich verweise dafür auf seinen Auftritt am Babel Music im März diesen Jahres. Hier im Wallis muss er aber doch was anders gemacht haben, denn als ich gerade noch die letzten Töne der Zugabe gehört hat war ich erstaunt, ihn im Call-Response-Austausch mit dem Publikum zu finden. Da habe ich wohl schon wieder was verpasst.
Zum Abschluss gab’s dann wieder was für die Tanzbeine: Ferro Gaita und ihren hochgetakteten Kapverden-Groove Funaná. Ferro Gaita setzen zwar bei jedem Song auf ein rhythmisch vertracktes Intro, fallen dann aber schnell in ein gradliniges 140 bpm-Tempo. Zwei Mal während des Gigs wechseln sie die Gangart, stimmen einen etwas ruhigeren Song an. Nur um dann sofort wieder los zu preschen.
Das Publikum hier in Martigny braucht Energie. Da die Körper der Konzertbesucher*innen vom heissen Tag etwas erschlafft sind, verlangen sie mehr als nur einen, externen Energieschub. Die werden prompt von der Bühne geliefert.
P.S
Noch ein kurzer Nachtrag aus dem Nachmittagsspaziergang durch das Städtchen: Michelangelo war auch schon hier …