Die wichtigsten Beteiligten dieses Projekts, Rokia Koné & Jacknife Lee, sind sich noch nie begegnet – eine seltsame Produktion aus einer digitalen Produktionswerkstatt.
Ich wusste anfänglich nicht, wie ich auf diese Produktion reagieren sollte: Sie ist cool, aber irgendwie auch unterkühlt. Dann las ich die Geschichte dieser Produktion im englischen Fachblatt Songlines, Märzausgabe 2022, und die geht so:
Rokia Koné ist in Mali ein Star, ihr Nickname ist «Rose of Bamako». Sie singt aus der Seele und aus dem Moment. Jacknife Lee ist ein irisch/amerikanischer Produzent, der schon für die Grossen der Popmusik arbeitete: U2, REM, Taylor Swift. Katalysator des Projekts ist Produzentin Valérie Malot vom 3D Family Projekt. Sie hörte Rokia vor Jahren in einem Club in Bamako und holte sie in ihr Projekt «Les Amazones d’Afrique» (ein Interview zum Projekt «Republique Amazone» gibt’s bei Realworld).
2018, noch vor der Pandemie, wurde in Bamako ein Studiotermin frei, und Valerie buchte Rokia für Aufnahmen mit ihren Musikern. Diese blieben erst mal liegen, die Arbeit am zweiten Album der Amazones d’Afrique «Amazones Power» gingen vor. Die Tapes wanderten 2020 nach Kalifornien, ins Studio von Jacknife Lee. Er kennt bis zum heutigen Tag Rokia nur von den Aufnahmen! Er schnitt, reduzierte, filterte, baute die Songs um. Zu seiner Produktionsweise («Lee Scratch Perry-Style») sagt er:
My biggest breakthroughs happen when the musicians aren’t there. I think Rokia respected me enough to leave me alone.
Und wie reagierte Rokia Koné, als sie die fertige Produktion zum ersten Mal hörte?
Shock. It sounded strange. But my manager reminded me that it is a collaboration, and for an audience outside Mali. He encouraged me to be open. Now I have grown to love the music, and the new palette it brings to the music of Mali…
Im April werden sich die beiden Protagonisten zum ersten Mal treffen. Auch gemeinsam auftreten, bei Konzerten in Paris und London.
Die Aufnahmen und die Produktion von «Bamanan» sind ein Zeichen, dass auch das Zusammentreffen in der physischen Realität funktionieren könnte, denn die Arbeit zeugt von Empathie und Vertrauen. Vertrauen von Rokia Koné, dass sich hier ein neues Fenster für die Musik Malis öffnen könnte. Und von Empathie auf Seiten von Jacknife Lee, dass er zwar den Pop-Aspekt in die Songs von Rokia reinbrachte, sie aber nicht in der digitalen Technologie zugunsten westlicher Hörgewohnheiten untergehen liess.
Vielleicht trägt im Konzert auch die Produktionsfirma dieses Projekts zum ersten mal ihren Namen zu Recht: Realworld.
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