Die Finn*innen haben einen Hang zum Geschichten-erzählen, und Aus-der-Reihe-tanzen. Sähköpaimen spielen Folktronica der intensiven Art.
Das mit dem Geschichten erzählen ist ein bisschen schwierig, denn Sähköpaimen singen und sprechen, raunen und schreien in Finnisch. Darum zwei wichtige Begriffe übersetzt: Sähköpaimen bedeutet soviel wie «Elektrischer Hirte», Hämärä heisst Zwielicht. Die Produktion beginnt mit einer Ode an diesen bedeutsamen Tages-Licht-Abschnitt, von dem auch gerne gesagt wird, er sei die Trennung zwischen den Welten. Die Zeit, in der die Herde zusammen getrieben wird, und die Menschen sich um ein Feuer sammeln.
Sähköpaimen ist ein Trio, mit Amanda Kauranne (Stimme, Looping, Maultrommel), Kirsi Ojala (Flöten und andere Blasinstrumente, Maultrommel und Stimme) und Eero Grundström (Electronica und Stimme). Alle drei sind Mitglieder diverser Bands (u.a. Sväng, Wind on Wind, Hyva Trio) zwischen Tradition und Experiment. Die Grundlagen der Kompositionen liegen z.T. weit in der Vergangenheit. Gedichte und Melodien stammen aus den Schatzkisten Kareliens, der Kalevala, der Finno-Ugrischen Tradition, leihen sich Stimmen und Strophen aus dem piemontesischen Okzitan-Liederschatz. Diese geballte Kollektion von Tradition wird reflektiert von einer avangardistischen Klangwelt, entstanden im Computer, in Synthesizern und klang-verfremdet in der digitalen Produktionswelt: Folktronica, in bestem Sinne.
Von Geistern und Legenden
Man kann die Erklärung zu den Songs im ausführlichen Booklet (einmal mehr: CD kaufen!) nachlesen, oder sich auf seine eigene Vorstellungskraft verlassen. Es empfiehlt sich, alle Erinnerungen an er-lesene Märchenwelten, an Waldschrate und Naturgeister wachzurufen. Im Zwielicht tanzen Menschen und Geister zu den Sounds von treibenden Maultrommeln, zu fiependen und kullernden Digital-Kaskaden. Man folge den ratten-fängerischen Melodien von Flöten und Klarinetten, lasse sich Geschichten in einer fremden Sprache erzählen oder vorsingen.
Kann sein, dass man beim Zuhören plötzlich selber hexenartig zu kichern beginnt – einfach weil das musikalische Amalgam frech aber respektvoll, frisch und witzig ist. Keine Angst: deine Seele wird nicht auf Ewigkeiten in die endlosen und unheimlichen Birkenwälder Finnlands entführt. Aber nach einer Stunde und zehn Songs weisst du: du warst dort, und hast getanzt!
Die Balance zwischen tief verwurzelter Folk-Tradition und modernen Electro-Klängen und -Rhythmen ist eindrücklich geglückt.
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