Les Suds, à Arles – 6. Konzerttag

Jesus von Son Rompe Pera live in Arles 2023Eine Lehrstunde in Mikrotonalität, vier Stimmen + Perkussion, und eine doppelte Portion Cumbia: der 6. Tag am Les Suds, à Arles.

Der Konzerttag begann mit einem indischen Einstieg, und zwar in die Mikrotonalität. Wasifuddin Dagar war der Sänger.

Er erkundete in den ersten zwei Dritteln seines Konzertes die Töne zweier Oktaven, und setzte im letzten Drittel diese in Bezug zu einem 12/8 Rhythmus.

Zuweilen fühlte es sich an wie in einer Unterrichtsstunde, denn bei jedem Übergang, zuweilen aus der Melodie heraus, erklärte der Sänger, was er jetzt gerade macht, resp. welche Stimmung er erforscht. Durchaus spannend und lehrreich.

Eine Stimmtechnik war auffällig. Sie muss mit dem Atem zusammenhängen, denn irgendwie begann die Stimme des Sängers zu rattern. Ich kann mir das nur mit einer besonderes Atemtechnik erklären. Aber das zu erklären unterliess Wasifuddin Dagar.
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Eine lustige Genrekombination gab es zum Auftakt im antiken Theater mit Parranda La Cruz. Ein Quartett, das problem- und nahtlos die Rhythmen und Melodien Venezuelas und aus La Réunion verband. Das war nicht nur erfrischend, sondern sehr elektrisierend, machte gute Laune.

Zwei Ladies mit Perkussion in der Frontlinie, zwei Männer im Hintergrund an den Trommeln, vier sehr clever arrangierte Stimmen. Mehr braucht es wirklich nicht, um Groove zu erzeugen. Das taten sie mit Lust und vollem Einsatz – ohne zu übertreiben. Zudem heimsten sie, obschon aus Lyon stammend, noch den Einheimischen-Bonus ein.
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Den konnte die folgende Combo Chimbita nicht einkassieren. Nix von einheimisch, sondern 9 Stunden unterwegs von Saragossa durch den französischen Ferienstart-Stau. Das nagt an den Kräften und Nerven. Doch die Truppe hatte noch genug Kraft in den Batterien, um ein solides Konzert zu bieten.

Carolina Olivares ist die Zentralfigur auf der Bühne, und im Klanggefüge der Band. Ihre leicht metallische Stimme trägt die Melodien, die aus der karibischen Region Kolumbiens stammen, durch die wabernden Klangwelten ihrer Bandkollegen. Bullerengue ist das Grundgerüst, doch dazu kommen viele Einflüsse aus New York, will heissen Verzerrungen, grossräumige Echos, Dub-Strukturen, generell: Soundverfremdungen, aber immer noch tanzbar.

Dem kamen die Besucher*innen auch gerne nach. Überhaupt wurde an diesem Abend fast durchwegs getanzt. Es erwies sich als Vorteil, dass die Ränge des Theaters nicht ausverkauft waren. So blieb genügend Platz für die Tänzer*innen.
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Die klangliche Botschafterin der Son Rompe Pera steht vorne am Bühnenrand: Eine grosse Marimba. Nicht mehr zu gebrauchen im klassischen Konzertsaal, weil soundtechnisch abgeändert. Die einzelnen Klanghölzer haben metallische Anhängsel erhalten, denn es muss nicht nur klingen, sondern auch leicht scheppern.

«Cumbia is the New Punk» ist die Kampfansage. Im Interview sagte mir jedoch Kacho Gama, dass der Satz in weiterem Kontext zu verstehen sei: «Die Cumbia war die Musik der armen Leute, der Underdogs. Und wie der Punk hat sie nun ihr Schmuddel-Image abgelegt, und ist in der internationalen Musikwelt angekommen.»

Auf der Bühne geht es zur Sache. Schon nach zwei Songs ist es zu heiss für die Hemden. Auch wollen die Tätowierungen gezeigt werden. Die Songs sind kurz, treibend. Viele verdoppeln in der Mitte des Song ihr Tempo, das Publikum verfällt in Pogo-Laune. Die Dynamik auf der Bühne zeigt sich nur im Instrumentenwechsel, oder in der Anzahl der sichtbaren Musiker.

Musikalisch scheint man vor allem auf schneller, härter, noch schneller eingestellt zu sein. Dies wird mit viel physischem Einsatz auch bis zum Konzertende durchgehalten.
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Übersicht Les Suds, à Arles 2023

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